Die fortschreitende Digitalisierung verändert die globale Wirtschaftsordnung in rasantem Tempo. Das bringt tiefgreifenden Auswirkungen auf internationale Regeln, Märkte und politische Zuständigkeiten mit sich. In diesem Kontext ist die Debatte über die Einführung einer Digitalsteuer mehr als nur ein technisches oder fiskalisches Thema. Sie steht exemplarisch für den Versuch Europas, seine digitale Souveränität zu behaupten und die Spielregeln im internationalen Wettbewerb aktiv mitzugestalten.
Die Digitalsteuer blieb seit ihrer Einführung in Österreich im Jahr 2020 unverändert, auch wenn während der Koalitionsverhandlungen 2025 mehrfach über eine Ausweitung oder Erhöhung diskutiert wurde. Fakt ist, der politische Wille in Europa, insbesondere auch in Österreich bleibt bestehen. Die Entscheidung, auf eine globale Lösung im Rahmen der OECD-Verhandlungen zu warten, ist eine strategische. Sie unterstreicht die Bereitschaft, multilaterale Vereinbarungen mitzutragen – ohne dabei nationale Handlungsspielräume völlig aus der Hand zu geben.
Aber was ist die Digitalsteuer überhaupt?
Die Digitalsteuer ist ein Instrument, das darauf abzielt, digitale Geschäftsmodelle dort steuerlich zu erfassen, wo tatsächlich wirtschaftliche Wertschöpfung entsteht – auch wenn die Unternehmen in diesen Ländern keine physische Präsenz haben. Besteuert werden dabei etwa Umsätze aus Online-Werbung oder digitalen Vermittlungsleistungen, die in einem Land generiert werden. Ziel ist es, eine gerechtere Besteuerung im digitalen Zeitalter sicherzustellen, da viele globale Plattformen ihre Gewinne bislang in Ländern mit niedrigen Steuersätzen konzentrieren konnten.
Die Digitalsteuer in Österreich
In Österreich wurde 2020 eine nationale Lösung implementiert: eine 5-prozentige Abgabe auf Online-Werbeleistungen mit Inlandsbezug. Diese Maßnahme war bewusst so gestaltet, dass sie nicht nur zusätzliche Einnahmen schafft, sondern auch ein Signal für Fairness und Verantwortung im digitalen Raum setzt. Dies gilt sowohl gegenüber der eigenen Bevölkerung als auch gegenüber internationalen Partnern.
Im Rahmen der diesjährigen Koalitionsverhandlungen wurde mehrfach diskutiert, die Digitalsteuer weiter auszubauen oder den Steuersatz anzuheben. Letztlich entschied man sich jedoch dagegen – nicht zuletzt aus geopolitischen Erwägungen. In der zweiten Amtszeit von US-Präsident Trump war mit Gegenmaßnahmen wie Strafzöllen oder handelspolitischen Repressalien zu rechnen. In einer Zeit zunehmender Spannungen und Handelskonflikte wollte man zusätzliche Eskalation vermeiden und setzte auf Verhandlung und internationale Einbettung statt auf nationale Alleingänge.
Dabei geht es ohnehin weniger um einzelne Unternehmen als vielmehr um die Frage, wie digitale Wertschöpfung künftig in einem globalisierten System angemessen berücksichtigt werden kann. Die Diskussion um die Digitalsteuer ist daher auch eine Frage geopolitischer Positionierung. Europa und Österreich stehen vor der Herausforderung, nationale Interessen, europäische Solidarität und globale Abkommen in Einklang zu bringen. Die Einführung oder das Aussetzen einer Digitalsteuer ist in diesem Sinne ein außenpolitischer Balanceakt.
Österreich & EU: Mit der Digitalsteuer global mitgestalten
Zugleich birgt die Debatte Chancen: Sie eröffnet die Möglichkeit, neue Standards zu setzen, die digitale Geschäftsmodelle und klassische Wirtschaftsstrukturen gerechter miteinander verzahnen. Sofern die Maßnahmen klug austariert sind, kann dies für Österreich bedeuten, ein stabileres Fundament für künftige Investitionen und Innovationen zu schaffen.
Auch wenn sie aktuell nicht auf der politischen Agenda steht, bleibt die Digitalsteuer ein strategisches Instrument mit langfristiger Relevanz. Sie steht sinnbildlich für den Versuch, internationale Regeln an eine digitalisierte Welt anzupassen – und für den Anspruch Europas, in dieser Transformation nicht nur zu reagieren, sondern aktiv zu gestalten. Für Österreich bedeutet das: Es braucht Weitblick, um bei globalen Entwicklungen nicht ins Hintertreffen zu geraten und den Mut, im richtigen Moment nationale und europäische Interessen selbstbewusst zu vertreten.
Verfasst von Michael Steger